„Warum ist Dir das Studium eigentlich so wichtig“, fragt mich meine bessere Hälfte zum wiederholten Mal, und zum ersten Mal quittiere ich diese vermutlich wahrhaftig ernstgemeinte Frage nicht mit einem wütenden Schnauben.
Warum ist es mir denn so wichtig?
Wenn ich auf meine kaufmännische Ausbildung zurückblicke, dann sehe ich spiessige Bürokostümchen, im Nagelstudio in Form gebrachte Fingernägel, Trennwände die mit wahnsinnig witzigen Sprüchen dekoriert wurden, die obligatorische aber nichts desto Trotz entsetzliche Diddl – Tasse und ein grässlich ödes, wenig inspirierendes, in fest gezurrten Bahnen verlaufendes Arbeitsleben vor mir. (das ich schon vor einiger Zeit mit Freude verlassen habe)
Ich habe keinen Ehrgeiz, Karriere zu machen und dabei immer weiter aufzusteigen, mein Ehrgeiz erstreckt sich darauf, möglichst viel aus unterschiedlichsten Belangen zu lernen.
Mich interessieren Menschen, Menschen unterschiedlichster Kulturen, Menschen mit ihren Wünschen, Bedürfnissen, ihrer Herkunft, ihrer Vergangenheit, ihrer Bräuche, Gewohnheiten, Gepflogenheiten, ihre Sprache und die Abgründe und Ängste, die sie nicht in Worte zu packen wagen.
Von Natur aus bin ich mit einem Talent gesegnet, ohne großes Zutun Sprachen zu erlernen und ich würde mein Leben am liebsten damit verbringen, noch viel mehr zu lernen.
Es ist wie ein innerer Zwang, ich habe ein tiefes Bedürfnis, kommunizieren zu können und erlebe eine geradezu erhebende Freude, wenn mir das in Sprachen gelingt, die eben nicht meine Muttersprache sind.
Wenn ich auf die letzten Wochen zurückschaue und mich selbst von aussen betrachte, wie ich wie eine Wahnsinnige mittlerweile 38 Bücher in mich aufgesogen habe, dann ist DAS genau, wie ich bin (natürlich auch ein bisschen wahnsinnig) aber vor allem stets und ständig auf der Suche nach neuem Wissen, mit dem ich mich füllen kann.
Meine Therapeutin hat mir gestern sehr vorsichtig, aber doch nachhaltig zu verstehen gegeben, dass ich diese Ruhelosigkeit oder Wissbegierigkeit vermutlich nicht damit füllen können werde, dass ich meiner Laufbahn einen akademischen Titel hinzufüge.
Der Makel, den ich empfinde, es trotz meiner Vielseitigkeit und Talente „nur“ zu einer Ausbildung in dem mir verhassten Büro gebracht zu haben, wäre damit allerdings ausradiert.
Aber, und auch da hat meine Therapeutin angesetzt, warum empfinde ich das so als Makel, warum habe ich es nötig, mich da heraus zu winden und mir sozusagen einen neuen, vor allem in meinen Augen „öffentlich tauglichen“ Anstrich zu geben?!
Will ich empfindsamer Mensch, der es nicht einmal schafft, eine Mücke, die mich die ganze Nacht in den Wahnsinn getrieben hat und eines der Mamasitos fast zur Unkenntlichkeit verunstaltet hat, zu erschlagen, wirklich in einem studierten, sozialen Beruf arbeiten, mich in das Schicksal anderer Menschen stürzen, ohne jemals mit meinem eigenen klar gekommen zu sein?
Ich kann schon so kaum Grenzen setzen vor den Sorgen meiner Mitmenschen und wünschte stets, sie beheben zu können, um mein Gegenüber wieder glücklich zu sehen – was das an Kraft kostet, ohne diese Gewohnheit zum Beruf zu machen – und ob ich, so wie ich bin, je lernen würde, die nötige professionelle Distanz an den Tag zu legen?
Um nochmal meine Therapeutin ins Spiel zu bringen – sie hat mir ein kleines Flöhchen ins Ohr gesetzt: was wäre, wenn ich mir einen Bürojob an Land ziehen würde, in einer Organisation, die mir entspricht – nicht in einem Konzern, der Halbleiter oder ähnliches produziert, was mich ausnahmsweise mal nicht die Bohne interessiert, sondern vielleicht in einer Schule, einer wohltätigen Gesellschaft, einem Sportverein, Museum oder ähnlichem – und nebenbei belege ich so ziemlich alle Sprach-, Kunst-, Kultur-, etc. Kurse, die die VHS zu bieten hat, um mir auf dieser Ebene Befriedigung zu verschaffen!?!
Noch habe ich keine Entscheidung getroffen, ich weiss nicht, was schwerer wiegt – die Erkenntnis, dass ein erneut abgebrochenes Studium meine Schmach irreparabel festigen würde, oder das Wissen um die Freiheit, meinen bisherigen Werdegang nicht mehr als Belastung zu empfinden….
Sagen Se mal..